Mittwoch, 31. März 2010

Gründonnerstag

Leider kann ich morgen Abend mal nicht dabei sein. Ich ziehe gerade um.
Aber ich träume schon einmal vorweg:

Pünktlich um Sieben Uhr steht Gruppe A umgezogen und erwartungsfroh im Balletsaal der Vidmarhallen. Die Tür geht auf, Musik erklingt und Joshua kommt hereingetänzelt, gefolgt von zwei Tänzern des Ballets. Sagen wir Paula und Gary. Während Joshua in die Mitte des Raumes schreitet, setzen sich die Tänzer - und zwar wie Tänzer das eben so machen, die Beine zur Seite angewinkelt, dabei sich immer wieder dehnend und streckend, in sich ruhend und doch nah am Geschehen- an die Seiten des Saals.
Willkommen! ruft Joshua, wie wunderbar, seid ihr alle da!
Und schon beginnt das Eintanzen.
Paula legt Musik auf, Gary stellt sich vor den Spiegel und die Tänzerinnen und Tänzer der Gruppe A versinken in der Meditation der Balletschritte. Bei Plié und Relevé verschwimmen die Grenzen, der Alltag fliegt sachte davon, jeder Einzelne kommt langsam an. Wir spüren die Knochen unserer Füsse knacken und die Muskeln unserer Beine sich strecken. Es öffnet sich unser Kreuz und das Brustbein reckt sich zum Himmel, als wollte es rufen: Endlich lässt du mich frei!
Die Körper, gerade noch im täglichen Trott gefangen, verbinden sich zu einer Gruppe, einer Herde mit eigenem Willen und nur einem Atem, einem Herzschlag...

So jedenfalls mein Traum. Es wird wohl ganz ähnlich werden.

Dienstag, 30. März 2010

Verfeinern

Gestern Abend wieder einmal in Gruppe A. unsere "Gewalt"-Choreographien vom letzten Mal galt es nun zu verfeinern und auszubauen. Das hiess: Schritte festlegen, die Schläge und Tritte präzisieren, Rhytmen erarbeiten.

Eindrücke: Das Erfahren des künstlerischen Prozesses, das Reagieren auf Kommentare und eigene Eingebungen. Und vor allem: Ideen, die man hatte und die im Moment wunderbar wirkten, loslassen können, wenn sie nicht mehr in das Gesamtkonzept passen. Das schmerzt und befreit zugleich. Doch die Hauptsache ist wiederholen, wiederholen, wiederholen.

Freitag, 26. März 2010

Veranstaltungstipp von Joshua:

"Platée," eine Barockoper von Jean-Philippe Rameau, wofür Joshua 40 Minuten Choreografien für 20 Tänzer des Ballet national du Rhin geschafft hat, wird noch zweimal gezeigt: im Theater "La Sinne" in Mulhouse (ca. 90 Zugminuten von Bern) am Sonntag, den 28.3. um 15h00 und am Dienstag, den 30.3 um 20h00. Es spielt "Les Talens Lyriques", ein französisches Barockorchestra, und es singen Sänger der Opéra national du Rhin. Informationen und Vorschau: http://www.operanationaldurhin.eu/opera-2009-2010--platee.html.

Und für diejenigen, die es nicht nach Mulhouse schaffen können: man kann sich eine Streaming-Webcast der Oper auf der Website von ARTE anschauen (http://liveweb.arte.tv/fr/video/Platee__a_l_Opera_du_Rhin/1563/). Einige Tanzhighlights sind die Ouvertüre ganz am Anfang, die Cocktail-Party um 20:00, der Tanz der Wassertiere um 55:00, und das Fernsehballett um 88:15.

who let the dogs out?

Das beste Mittel gegen Muskelkater ist...... weitermachen!
Und so ging es weiter gestern Abend. Diesmal im Balletsaal der Vidmar-Hallen mit der gesamten Gruppe.
Nach dem üblichen Aufwärmtraining sollten wir uns in Hunde verwandeln.
Also bellten, rannten, rollten und rauften wir. Wir lechzten und schnupperten und einige habe ich sogar sabbern sehen...
Doch die Hauptaufgabe beim Ganzen, und das war wohl das Schwerste:
Wir sollten nur einige Eigenschaften von Hunden übernehmen. Ansonsten sollten wir menschlich bleiben. Das war wirklich eine Herausforderung. Nicht aus der Rolle fallen, immer wieder zwischen menschlichem und tierischem Verhalten hin- und herwechseln.
Eindrücklich war wieder einmal, wie Joshua uns Beispiele von Hundeverhalten gab:
"Hunde stellen sich nicht einen Meter vor einen andern Hund und fragen höflich, ob sie mit ihm spielen dürfen. Hunde springen einfach auf einen anderen Hund drauf" sprachs, und sprang der Tänzerin neben ihm in die Arme.
Die menschliche Höflichkeit und das Gefühl für Abstand (und Anstand) gilt es also zu verlieren. Jedenfalls soweit, dass die Beherrschung für den Zuschauer nicht mehr sichtbar ist. Vielleicht macht das ja „Tanz“ aus: Das Überwinden von Grenzen, eigenen wie fremden, und es dabei so mühelos aussehen lassen, dass das wochenlange Proben hinter einem kurzen Moment der Ästhetik und Leichtigkeit verschwindet.

Toll. Machen wir uns an die Arbeit!

Donnerstag, 25. März 2010

Superheroes 2009

Hier das Video zum Projekt des letzten Jahres. Superheroes.
Viel Spass!


hier gehts zu Teil 2

für die Musikliebhaber: die Superheroes tanzen zu Ariodante von Händel, gesungen von Philippe Jaroussky.

die YouTube Kanäle von Joshua und dem Bern:Ballett findet ihr in der Linkliste.

Dienstag, 23. März 2010

Der Morgen danach

Muskelkater. Ich war mir gar nicht bewusst, dass ich an diesen Stellen überhaupt Muskeln habe. Und doch wachte ich heute morgen sehr zufrieden auf. Zwei Stunden tanzen. Eigene Choreographien erschaffen, vortanzen, weiterentwickeln.
Ich bin einer von knapp 50 Teilnehmern des diesjährigen 3. Tanzpädagogischen Projekt am Stadttheater Bern. 3 Monate haben wir Zeit Choreographien zu entwickeln und zu perfektionieren. Dann bringen wir sie zur Aufführung. Dreimal in den Vidmar Hallen, eingebettet in die Stücke der professionellen Tänzer. Wir, dass sind 50 Amateure. Menschen wie du und ich, die gerne tanzen, gerne mal tanzen wollen, oder einfach nur die Gelegenheit nutzen, etwas Winterspeck abzubauen (wie ich :)). Uns zur Seite stehen, neben Gabi Michel-Frei und Regula Bühler von der Theaterpädagogik, die das ganze Projekt organisieren, Joshua Monten, ehemaliger Tänzer des Bern:Ballett und jetzt freischaffender Choreograph und Tänzer.
Dies ist, nach „Kick me“ zur Fussball EM und Superheroes im letzten Jahr, schon sein drittes Tanzpädagogisches Projekt am Stadttheater Bern. Dabei sind ausserdem noch Tänzer und Tänzerinnen des Bern:Ballett, freigestellt von Cathy Marston, der künstlerischen Direktorin des Balletts.
Ein typisches Training läuft so ab:
Zuerst eine halbe Stunde Aufwärmtraining mit einem der Tänzer. Das reicht von Yoga-Sonnengruss, über Plié und Relevé und kombinierten Ballettschritten, bis hin zu „auf-dem-Boden-herumrollen, durch den Raum rennen und in die Luft springen".
Die Ersten (mich eingeschlossen) bekommen jetzt schon schwere Arme und fragen sich, ob das wirklich das Richtige ist, wenn sie zum zehnten Mal das Bein in die falsche Richtung abwinkeln. Doch Joshua und die anderen Tänzer geben uns das Gefühl, dass jeder kann, was er kann; nichts muss. Und wenn man sich nur bemüht und die Spannung hält, dann sieht es auch gar nicht so schlecht aus… Wie man im grossen Spiegel des Ballettsaals immer wieder überprüfen kann. Ich schliesse da gerne die Augen, vor dem Inneren Auge macht man sich nicht so leicht lächerlich. Oder ist das der Vogel-Strauss-Reflex? Wenn Ich nichts sehe, sehen mich die anderen auch nicht?
Doch das ist das Schönste am ganzen Projekt: Wir sind alle Amateure. Nichts ist lächerlich, weil alles echt ist. Und die Tänzer sind so aufmerksam, hilfsbereit und freundlich, dass es einfach Spass macht und ich vergesse völlig, dass ich mich soeben noch wie ein Wal fühlte.

Den Zweiten Teil übernimmt dann wieder Joshua:
„Ich habe gewaltige Gedanken gehabt. Ich möchte dass ihr euch weh tut, ohne euch weh zu tun. Es soll immer ein wenig schmerzhafter aussehen als es ist. Sucht euch jemanden, den ihr noch nicht so gut kennt und erarbeitet eine Choreographie mit ihm oder ihr.“
Wir sollen eine kleine Sequenz erfinden, die aus ca. 5 kurzen Gewalttaten besteht. Bei der sich niemand wehtut, es aber so aussieht. Und zwischendurch, oder am Anfang oder Ende, soll ein Blick zum Himmel stehen. Der kann lang sein oder kurz, einem imaginären Flugzeug folgen oder uns vor einem herabstürzenden Meteoriten weglaufen lassen.
Nach zehn Minuten führt jede Gruppe ihre Sequenz vor und Joshua gibt kurze Rückmeldung: was gut ist, was zu verbessern und was ganz wegzulassen ist.
Ich soll nicht so oft auf den Boden fallen. Das nimmt den Fluss aus der Bewegung. Wir arbeiten also weiter. Jetzt nur noch aufrecht und bauen auch noch einige Repetitionen ein.
„Durch Repetitionen erkennt man hinter einer zufälligen Bewegung die Handschrift des Choreographen“, so Joshua. Also gleich ans Werk und uns gelingt auch eine schöne Sequenz. Ich werde getreten, vier mal, und hebe immer wieder reflexartig mein Bein, dann das ganze umgekehrt und ich trete und verfolge.
Nach erneutem Vortanzen der Sequenzen holt uns Joshua zusammen und fügt aus drei Einzelteilen unserer Choreographien eine kurze Sequenz zusammen, die nun alle einstudieren. Erst ein Faustschlag ins Gesicht, dann ein Knie zum Kinn, dann vier Tritte (aus unserer Sequenz!) und dann den Kopf des Partners umdrehen und sich von ihm eine Ohrfeige verpassen lassen. Aua!
Doch das Ganze geht ohne Blessuren über die Bühne und damit sind wir auch schon am Ende des ersten Abends angelangt. Heute Abend ist Gruppe B an der Reihe und am Donnerstag kommen wir alle zusammen und proben gemeinsam weiter. Ich freue mich schon darauf!